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Leben und WirkenKindheit, Jugend und PrimizGerhard Hirschfelder wird am 17. Februar 1907 in Glatz als Sohn der ledigen Maria Hirschfelder geboren. Er ist nicht mit einer unbekümmerten Kindheit gesegnet. Gerhard gleicht vieles durch sein fröhliches und herzliches Naturell aus. Er ist ein beliebter Spielkamerad, spielt gern Theater und sucht Gemeinschaft im „Quickborn“. In Glatz besucht er das Gymnasium und geht dann zum Studium nach Breslau. Im Theologenkonvikt übernimmt er Verantwortung als Kurssprecher. Seine uneheliche Herkunft erschwert ihm den Weg zum Priestertum. Auch die Tatsache, dass er seine erste heilige Messe, die Primiz, nicht in seiner Taufkirche feiern darf, macht ihm zu schaffen. Doch er weiß sich von Christus getragen, der ihn zum Priestertum gerufen hat und ihm besondere Glaubenskraft und Vertrauen in die Wege Gottes schenkt. Lebensdaten vom Diener Gottes Gerhard Hirschfelder17.02.1907 Geboren in Glatz (Schlesien) 31.01.1932 Zum Priester geweiht in Breslau für den preußischen Anteil der Erzdiözese Prag 01.02.1932 Primiz in der Herz-Jesu-Kapelle zu Bad Langenau 1932-1939 Kaplan in Tscherbeney 1939-1941 Kaplan in Habelschwerdt, Diözesanjugendseelsorger für die Grafschaft Glatz 01.08.1941 Verhaftung in Habelschwerdt bis 15.12.1941 Haft im Gefängnis in Glatz 15.12.1941 Transport in das Konzentrationslager Dachau – Herabwürdigung zur Nummer 28972 01.08.1942 nach unsäglichen physischen Qualen, völlig entkräftet und ausgehungert im Konzentrationslager Dachau gestorben
Grund der VerhaftungDen 1933 an die Macht gekommenen Nationalsozialisten ist Kaplan Gerhard Hirschfelder sehr schnell ein Dorn im Auge. Er versteht es, durch seine lebendige und überzeugende Jugendarbeit und seine guten Predigten, die Jugend für Christus zu gewinnen und sie von den nationalsozialistischen Ideen fernzuhalten. Seine Predigten werden bespitzelt und notiert, seine Arbeit kontrolliert und die letzte zentrale Jugendwallfahrt am 8. Juni 1941 nach Albendorf mit rund 2.300 Jugendlichen gestört. Er verteidigt die Lehre der Kirche und sagt Jugendlichen und Erwachsenen: „Ich kann nicht schweigen, wenn ich sehe, was auf die Kirche und uns zukommt.“ Als in Habelschwerdt ein religiöser Bildstock zerstört wird, findet er in seiner Predigt am Sonntag danach, 27. Juli 1941, deutliche und unmissverständliche Worte, die in der Aussage gipfeln: „Wer der Jugend den Glauben an Christus aus dem Herzen reißt, ist ein Verbrecher.“ Das bringt ihn ins Gefängnis in Glatz und im Dezember ins Konzentrationslager Dachau, wo er als Märtyrer stirbt. Grundhaltung seines LebensAus seinem Kommentar zu den Paulusbriefen, niedergeschrieben im Gefängnis in Glatz: „Nichts dürfen wir scheuen, selbst das eigene Opfer des Lebens nicht.“ „Wo ein Priester nicht Vater und Helfer der Armen wird, ist sein Arbeiten fruchtlos. „Christsein ist starkes Selbstloswerden. Kann man das, ohne im Leid zu stehen?“ Aus Briefen von Menschen, die ihn persönlich kannten: „Für mich bleibt damals wie heute Gerhard Hirschfelder ein Vorbild, eine ideale Priestergestalt von tiefer Frömmigkeit, weltoffener Herzlichkeit und charismatischer Überzeugungskraft.“ Aus Briefen von Menschen, die den Kreuzweg von Gerhard Hirschfelder beteten: „Als ich Anfang des letzten Jahres (2002) die Diagnose einer bösartigen Krankheit erhielt, habe ich Trost im Gebet des Kreuzweges von Kaplan Hirschfelder gefunden. Ich habe ihn mehrmals am Tage gebetet. Nach Operation und Nachbehandlung habe ich die Hoffnung, dass jetzt wieder alles gut wird. Nach 8 Jahren: Es ist wieder gut.“ Aus dem KreuzwegNiedergeschrieben im Gefängnis in Glatz:
Grafschaft Glatz (Schlesien) 19.09.1998 Eröffnung des Seligsprechungsprozesses im Dom zu Münster 03.08.2002 Gedenken des 60. Todestages am Grab von Kaplan Gerhard Hirschfelder mit dem Apostolischen Nuntius Erzbischof Dr. Erwin Ender, Prag (Praha), Bischof Dominik Duka, Königgrätz (Hradec Králové), und Weihbischof Jan Tyrawa, Breslau (Wroclaw). Beim Gedenken an den 60. Todestag von Kaplan Gerhard Hirschfelder sagte der polnische Pfarrer von Tscherbeney (Czermna) Prälat Romuald Brudnowski: „Gerhard Hirschfelder ist ein Deutscher. Wenn er selig gesprochen wird, gehört er uns allen: Deutschen, Polen und Tschechen.“ 19.09.2010 Seligsprechung im Dom zu Münster 10.10.2010 Feier der Seligsprechung mit Polen, Tschechen und Deutschen in Tscherbeney (Czermna) in der Grafschaft Glatz (Hrabstwo Klozkie) Überreichung der Positio am 11.04.2002: (v. l.) Domkapitular Martin Hülskamp, Postulator Dr. Andrea Ambrosi (Rom), Großdechant Franz Jung Eröffnung des Seligsprechungsprozesses am 19.09.1998 in MünsterZeitzeugen regten an, für diesen vorbildlichen Seelsorger die Seligsprechung einzuleiten. Diese Befürworter lebten bzw. leben heute nach Flucht und Vertreibung aus ihrer Heimat in Deutschland und Tschechien, einige sind in der Grafschaft Glatz (heute Polen) geblieben. So ist Kaplan Gerhard Hirschfelder ein Brückenbauer zwischen Deutschland, Polen und Tschechien. Wir dürfen ihn als Seligen verehren, ihn um seine Fürbitte anrufen, weil:
Kaplan Hirschfelder über den Tod hinaus ein Helfer in der NotDie Ausstrahlungskraft und Bedeutung Kaplan Hirschfelders auch über seinen Tod hinaus kommt in vielen Zeugenberichten zum Ausdruck. So schreibt Marthel Wolf (früher Tscherbeney): „Er hat auch mich sehr geprägt.“ Und sie fährt fort: Als er dann ins Konzentrationslager kam und dort starb, stellten wir sein Bild auf. Ich habe es heute noch. Es war dann im Nachkriegsjahr, als die Polen unsere Heimat besetzten. Das Gemeindeamt wurde von einem polnischen Bürgermeister verwaltet. Die Polen kamen in Gruppen, zogen durch unser Dorf und suchten sich Häuser aus. Dann gingen sie zum Amt mit der Nummer des Hauses, das ihnen gefiel, und bekamen es. Meine Eltern hatten 1933 gebaut, so war das Haus noch nicht alt, und es gefiel ihnen. Als sie das Haus beschlagnahmen wollten, waren wir, meine Mutter und ich, nicht zu Hause. Eine Nachbarin holte uns. Die Polen schrien und schimpften, und wenn wir nicht bald kämen, würden sie die Tür einschlagen. So eilten wir mit großer Angst nach Hause. Es waren drei Männer und eine Frau. Sie schrien auf uns ein und rannten, als meine Mutter aufgeschlossen hatte, durchs Haus, durchwühlten Schränke und Schübe. Plötzlich stutzte der eine, der am meisten getobt hatte und übrigens sehr gut deutsch sprach. Er hatte das Bild von Kaplan Hirschfelder gesehen. Er fragte: „Wie kommt ihr zu diesem Foto?“ Da erzählten wir ihm, dass wir ihn gut kannten. Wie sich ein Mensch in ein paar Minuten so ändern kann. Der Mann wurde ganz ruhig und sagte dann: „Der Mann ist ein Heiliger, mit dem war ich im KZ.“ Nun erzählte er es den anderen in polnischer Sprache. Auch sie waren plötzlich ganz andere Menschen. Sie hielten sich dann nicht mehr lange auf. Am nächsten Tag kamen sie, gaben uns alle Schlüssel zurück, steckten die polnische Fahne heraus und sagten: „Es wird sie nie mehr ein Pole belästigen.“ So war es denn auch, und wir konnten bis zur Vertreibung in unserem Hause wohnen. (gekürzter Bericht) Was hat Kaplan Gerhard Hirschfelder uns heute noch zu sagen?„Seien wir alle, Frauen und Männer, die auf diesen Priester schauen, bereit, Leid und Schmerz und Freude und Dank, gute und schlechte Tage anzunehmen aus den Händen eines liebenden Gottes, wie er es annehmen konnte!“ (Bischof Dr. Joachim Reinelt in seiner Predigt beim Eröffnungsgottesdienst zum Seligsprechungsprozess) Der Dom zu Münster – eine beziehungsreiche Verbindung zum Seligen Kaplan Gerhard Hirschfelder
Neue Biographie von Gerhard HirschfelderUneheliche Geburt als WeihehindernisEr musste als nichteheliches Kind manche Hürde zum Priesterberuf überwinden. Er konnte die Jugend in der schlesischen Grafschaft Glatz für Christus begeistern. Er stand gradlinig zu seiner Überzeugung. Er verlor sein Leben im Konzentrationslager Dachau als Preis für sein Glaubensbekenntnis. Bald selig gesprochen, kann Gerhard Hirschfelder ein Brückenbauer zwischen Deutschen, Polen und Tschechen sein. In Glatz lebt Maria Hirschfelder. Sie ist am 13. Dezember 1881 geboren und ist 25 Jahre alt, als sie am 17. Februar 1907 ihr einziges Kind zur Welt bringt. Unter Nummer 36 heißt es in der vom Standesbeamten am 18. Februar 1907 unterzeichneten Urkunde: „Vor dem unterzeichneten Standesbeamten erschien heute, der Persönlichkeit nach bekannt, die Hebamme Frau Anna Neumann und zeigte an, dass von der ledigen Maria Hirschfelder, ohne Beruf, katholischer Religion, in ihrer Wohnung am 17. Februar 1907 mittags um vier Uhr ein Knabe geboren worden sei und dass das Kind die Vornamen Gerhard, Franziskus, Johannes erhalten habe. Frau Neumann erklärte, bei der Niederkunft zugegen gewesen zu sein.“ Wie wird dem jungen Gerhard zumute sein, wenn er zum ersten Mal von seiner unehelichen Geburt erfährt? Wird ihn das als Makel ein Leben lang begleiten? Und wird er nicht den Vater vermissen, der Zuwendung und Geborgenheit gibt und ebenso Geschwister als Spielgefährten? Vater geachteter KaufmannZwei Tage nach seiner Geburt, am 19. Februar 1907, wird der Junge in der Stadtpfarrkirche St. Maria Himmelfahrt von Kaplan Augustin Bergmann auf die Namen Gerhard, Franziskus, Johannes getauft. Sein Rufname ist Gerhard ... Die allein erziehende Mutter muss sich um den Unterhalt ihres Kindes und um ihren eigenen Unterhalt sorgen ... So ist der Junge oft sich selbst überlassen. Er sucht sich draußen auf der Straße seine Spielgefährten. Nachbarn und Bekannte nehmen sich seiner an und holen ihn oft zu einer Mahlzeit mit an ihren Tisch. Der leibliche Vater von Gerhard Hirschfelder besitzt in Glatz ein Lebensmittelgeschäft und gilt als wohlhabender Kaufmann. Sein Name ist Oswald Wolff ... Da Oswald Wolff in Glatz ein bekannter Kaufmann ist, ist zu vermuten, dass Gerhard ihn gekannt hat. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, ob er wusste, dass er sein leiblicher Vater ist. Es sind auch keine Äußerungen bekannt, in denen er auf seinen Vater Bezug nimmt, ihm begegnet ist oder mit ihm gesprochen hat. Dass er unehelich geboren wurde und ohne Vater und Geschwister aufwächst, mag Gerhard Hirschfelder mit zunehmendem Alter bewusster geworden sein und ihm auch manche Unannehmlichkeiten gebracht haben ... Bemerkenswert ist, dass die allein erziehende Mutter, die es schwer genug hat, für ihren eigenen Lebensunterhalt und für den ihres Sohnes zu sorgen, ihm sogar eine Höhere Schulbildung ermöglicht ... Nachdem Gerhard Hirschfelder im Frühjahr 1927 das Abitur bestanden hat, führt ihn sein Weg in das Theologenkonvikt in Breslau. Wie soll er jedoch sein Studium finanzieren? Seine Mutter hat genug Last, für ihren eigenen Lebensunterhalt zu sorgen. Es gibt keinen Hinweis, dass der leibliche Vater, der wohlhabende Kaufmann Oswald Wolff, – eventuell auch heimlich – seinen Sohn unterstützt hätte. Unversehens bietet sich Hilfe an. In der Chronik seiner Heimatpfarrei findet sich zum 4. Februar 1927 der Eintrag: „Eine Frau Meier schenkte dem Pfarrer einen goldenen Ring, den ihres verstorbenen Mannes, für die Monstranz. Der Ring wurde aber für 2400 Mk verkauft und die Summe für arme Theologen auf die Sparkasse gelegt.“ Solche Theologen sind von Ostern ab „Gerhard Hirschfelder, unehelicher Sohn der Schneiderin Maria H. hier und des Kaufmanns Oswald Wolff“. Dann wird noch ein weiterer Name genannt, der des Theologiestudenten Ernst Heinze ... Gerhard Hirschfelder wird in das Theologenkonvikt in Breslau aufgenommen, obwohl für die späteren Weihen zum Subdiakon, zum Diakon und zum Priester das Weihehindernis der unehelichen Geburt vorliegt. Im Codex Iuris Canonici, dem Kirchlichen Gesetzbuch vom Jahr 1917, heißt es in Kanon 984,1: „Vom Empfang der Weihe sind die unehelich Geborenen ausgeschlossen.“ Es war früher auch außerhalb der Kirche oft allgemeine Meinung, dass ein unehelich geborenes Kind womöglich Eigenschaften erbt oder eine Erziehung erfährt, die dem priesterlichen Beruf nicht zuträglich sind. Dieses Urteil lässt sich nicht rechtfertigen, und darum ist auch der genannte Kanon nicht mehr in den neuen, seit dem Jahr 1983 gültigen Codex des kanonischen Rechtes aufgenommen worden. Als das Weihehindernis der unehelichen Geburt noch gilt, obliegt es der päpstlichen Obrigkeit, davon zu dispensieren. In der Regel wird die Dispens erst eingeholt, wenn die Eignung des Kandidaten durch sein Studium, durch das Leben im Theologenkonvikt und durch die wissenschaftliche Ausbildung und die geistliche Vorbereitung nachgewiesen ist, die damals noch gespendeten „Höheren Weihen“ Subdiakonat und Diakonat in Aussicht genommen sind und der Zulassung zur letzten Höheren Weihe, der Priesterweihe, nichts mehr im Wege steht. Von Gott geführtGerhard Hirschfelder verbringt seine Vorbereitungszeit auf den Priesterberuf in der Hoffnung und Erwartung, dass ihm die notwendige Dispens entsprechend den Gutachten der im Breslauer Theologenkonvikt für die Priesterausbildung Verantwortlichen und der Empfehlung des zuständigen Bischofs erteilt wird ... Er weiß sich von Gott „an den Platz gestellt“. Dorthin, wo er lebt und wirkt, ist er von Gott berufen und geführt. Das ist der Kern seines priesterlichen Selbstverständnisses ... Zielstrebig sucht er trotz aller Hindernisse seinen Weg, und er erkennt seine Berufung zum Diener Christi und seiner Kirche gemäß dem Bibelwort: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt“ (Joh 15,16). Sich zu diesem Dienst erwählt zu wissen, das macht Gerhard Hirschfelder dankbar und gibt ihm Sicherheit. Diese Berufung bestimmt seine Vorstellungen vom Leben und Dienst des Priesters und ist der Grund für seinen späteren unermüdlichen Einsatz ... Bald stehen die „Niederen Weihen“ bevor, die bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil jeder Priesteramtskandiat in einem ein- bis zweijährigen Abstand vor der Priesterweihe empfing. Mit handschriftlichem Schreiben vom 3. Juni 1931 bittet Gerhard Hirschfelder den „Hochwürdigsten Herrn Kardinal und Fürsterzbischof“ von Breslau, Herrn Kardinal Bertram, „gehorsamst um die gnädige Erteilung der Tonsur und der Niederen Weihen“. Alle litten mit ihmAm Weihetag ist jedoch die römische Dispens vom Weihehindernis der nichtehelichen Geburt noch nicht eingetroffen, sodass er diese Weihen nicht zusammen mit den Kollegen seines Weihejahrgangs empfangen kann. Der auch aus Glatz stammende Kollege seines Weihejahrgangs und spätere Vorgänger als Kaplan in Habelschwerdt, Ernst Heinze, schreibt am 19. Oktober 1980 an den ihm bekannten Priester Joseph Buchmann: „Die Dispense für die Höheren Weihen kamen verspätet an. So konnte unser lieber Hirschfelder nur als Zuschauer die Weihehandlung seines Kurses miterleben; er soll bitterlich geweint haben. Wir alle litten mit ihm.“ Gehorsamst und gnädigMit Schreiben vom 29. August 1931 erteilt die zuständige römische Kongregation die erbetene Dispens. Und so bittet Gerhard Hirschfelder mit handschriftlichem Schreiben vom 20. September 1931 Kardinal Bertram „gehorsamst um gnädige Erteilung der Subdiakonats- und Diakonatsweihe“. Die Weihe zum Subdiakon erfolgt am 26. und nach damaliger Zählung letzten Sonntag nach Pfingsten, dem 22. November 1931, und die Weihe zum Diakon eine Woche später, am ersten Adventssonntag, dem 29. November 1931. Beide Weihen erteilt Kardinal Bertram in der Kapelle des Priesterseminars in Breslau. Das Abwarten der römischen Dispens erklärt, dass die Weihen zum Subdiakon und zum Diakon in so kurzem Abstand voneinander und erst etwa zwei Monate vor der Priesterweihe erfolgen. Zusammen mit seinen Studien- und Kurskollegen wird Gerhard Hirschfelder am 31. Januar 1932 im Hohen Dom zu Breslau zum Priester geweiht. Die Weihe erteilt Erzbischof Adolf Bertram. Er war in den Jahren 1906 bis 1914 Bischof von Hildesheim. Nach dem Ersten Weltkrieg im Jahr 1919 wird ihm das Erzbistum Breslau übertragen. Osterlamm auf PrimizbildGerhard Hirschfelder wird geweiht auf den Titel der heimatlichen Erzdiözese Prag-Grafschaft Glatz, das heißt der Erzbischof von Prag trägt auch Sorge für den Lebensunterhalt des Geweihten. Auf seinem Primizbild stehen die Worte: „Christus, unser Osterlamm ist geschlachtet, Alleluja.“ Das Motto seines Primizbildes wird ihm Leitwort für sein Leben und für seinen Dienst. Ahnt er, was dieses Wort in seiner ganzen Fülle und Tiefe für ihn bedeuten kann? Zweifellos bringt er bei seiner Weihe seine rückhaltlose Bereitschaft zur Nachfolge Jesu zum Ausdruck. Denkt er auch daran, dass dieser Weg der Nachfolge bis zur Hingabe seines Lebens führen kann? ... Bereits am Morgen nach dem festlichen Tag der Priesterweihe mit unbeschreiblichem Hochgefühl holt ihn die Wirklichkeit wieder ein. Auf Grund seiner nichtehelichen Geburt ist es ihm nicht gestattet, in seiner vertrauten Heimatpfarrkirche St. Maria Himmelfahrt zu Glatz die Primiz, die erste heilige Messe, zu feiern. Sieben Kilometer von Habelschwerdt entfernt liegt der Kurort Bad Langenau. Dort ist das Herz-Jesu-Kloster mit den Herz-Jesu-Schwestern. In der Kapelle dieses Klosters feiert er zusammen mit seiner Mutter, mit seinen Bekannten und Freunden und mit den Ordensschwestern am 1. Februar 1932 seine Primiz. Mögen an diesem Ort der Verbannung äußerer Glanz und äußere Feierlichkeit gefehlt haben, von Dankbarkeit erfüllte Herzen werden diesen Mangel ausgeglichen haben. Vielleicht ist diese Feier von größerer und tieferer Wahrhaftigkeit erfüllt als jene prachterfüllten Feiern einiger seiner Weihekollegen. Zweierlei MaßUnter dem 3. Februar 1932 findet sich in der Chronik seiner Heimatgemeinde der Eintrag: „Am letzten Sonntag wurden in Breslau zwei Glatzer zum Priester geweiht, Ernst Heinze und Gerhard Hirschfelder. Der Letztere feierte seine Primiz in Bad Langenau bei den Herz-Jesu-Schwestern, da er unehelich ist, Sohn der Modeschneiderin Frl. Maria Hirschfelder und des Kaufmanns Oswald Wolff in Glatz. Heinze feierte die Primiz in der Glatzer Pfarrkirche.“ Kann Gerhard Hirschfelder diese unterschiedliche Behandlung menschlich wegstecken? Pro Christus – kontra HakenkreuzEr musste als nichteheliches Kind manche Hürde zum Priesterberuf überwinden. Er konnte die Jugend in der schlesischen Grafschaft Glatz für Christus begeistern. Er stand gradlinig zu seiner Überzeugung. Er verlor sein Leben im Konzentrationslager Dachau als Preis für sein Glaubensbekenntnis. Bald selig gesprochen, kann Gerhard Hirschfelder ein Brückenbauer zwischen Deutschen, Polen und Tschechen sein. Als junger Kaplan an seiner ersten Stelle in Grenzeck / Tscherbeney ist Gerhard Hirschfelder bald ein sehr beliebter und erfolgreicher Seelsorger, der vor allem schnell Kontakt zu Jugendlichen findet und deren Vertrauen gewinnt ... Zu den Jugendlichen in der Grafschaft Glatz gehört auch Barbara Franke. Heute leitet sie ehrenamtlich die Grafschafter Stube in Telgte. Sie sammelt Erinnerungen ehemaliger Gemeindemitglieder ... Ins Herz geschlossenRobert Hantsch, ein früheres Mitglied der Gemeinde, schreibt am 12. November 1986 an Barbara Franke: „Ich habe Pater Hirschfelder persönlich gekannt. Er strahlte eine priesterliche Persönlichkeit aus. Seine tiefe Frömmigkeit, aber auch mitfühlende Menschlichkeit machte auf uns Kinder einen tiefen Eindruck. Wir hatten ihn in unser Herz geschlossen.“ ... Seinen Charme, mit dem er gerade Jugendliche gewinnt, bewundern viele. Andere sehen in ihm einen gefährlichen Konkurrenten. Ein Jahr ist Gerhard Hirschfelder als Priester tätig, als die Nationalsozialisten die Regierung in Deutschland übernehmen. Die neuen Machthaber suchen mit ihrer Idee der Volksgemeinschaft vor allem die Jugendlichen und auch schon die Kinder zu beeinflussen und für sich zu gewinnen. So muss der bei Kindern und Jugendlichen beliebte Priester und Seelsorger den neuen Machthabern schon bald ein Dorn im Auge sein. Gerhard Hirschfelder unternimmt nichts in direkter Konfrontation gegen die neuen Machthaber, aber er zieht die Jugendlichen an, und er gewinnt sie für eine andere Idee – für Christus. Zudem überschneiden sich manche seiner Veranstaltungen und Gruppenstunden zeitlich mit Terminen der nationalsozialistischen Jugendarbeit. Bereits das verstehen die Nationalsozialisten als Beeinträchtigung der Volksgemeinschaft ... Wilhelm Hannusch, ein damaliges Mitglied der Gemeinde in Grenzeck, schreibt am 27. Juni 1985 an Barbara Franke: „Kaplan Hirschfelder war einige Jahre hindurch Präses der Grenzecker Kolpingsfamilie, und ich war sein 'Vize'. So manchen harmlosen Spaß haben wir uns beide oft erlaubt, und in einem Punkt waren wir beide stets gleich: kontra Hakenkreuz! Er verstand es meisterhaft, das Fromme und das Heitere in erbaulichem Wert zu bringen, dies hat ihn bei jung und alt so beliebt gemacht.“ ... An der evangelischen Schule in Bad Kudowa ist damals der Lehrer Arno Rogowski tätig. Er ist Ortsgruppenleiter und strenger Nationalsozialist. Er glaubt, die unschädlich machen zu müssen, die sich der neuen Volksgemeinschaft verweigern, ihr entgegenstehen oder gar ihr entgegenwirken. Beeindruckend ist der Bericht von dem damaligen Grenzecker Josef Franz. Er schreibt am 11. November 1987 an Barbara Franke: „Was ich jetzt schreibe und berichte, habe ich selbst erfahren. Ich bestätige, dass es der Wahrheit entspricht. Kaplan Hirschfelder ... war ein gradliniger, aufrichtiger und mutiger Priester, der sein Amt würdig vertreten hat. Für viele war er sehr beliebt, aber er bekam durch seine mutigen und wahren Worte auch unangenehme Feinde. Es war seine Bewährung als Kämpfer für Gläubige und Kirche. Seine gutformulierten Predigten hatten so manchen nicht behagt, die gerne Worte nach ihrem NS-Ziel gehört hätten. Hinweise, künftig bei seinen Predigten und Versammlungen mit scharfen Worten vorsichtig zu sein, hinderten Kaplan Hirschfelder nicht, seinen geraden Weg als Priester der Gemeinde zu gehen. Alsbald erhielt er Verwarnungen, seine Einstellung zu Gunsten des Nationalsozialismus zu ändern. Er aber zeigte keine Furcht. Als Jugendliche Gerhard Hirschfelder warnen und um Vorsicht gerade in seinen Predigten bitten, antwortet er, wie die Zeitzeugin Martha Tautz, geb. Obst, berichtet: „Kinder, ich kann nicht anders, wenn ich sehe, was sich gegen die Kirche und gegen die Menschenwürde tut, ich muss es von Herzen los werden.“ Diese Schilderung besagt sehr eindringlich, dass Gerhard Hirschfelder nicht „gegen“ sondern „für“ etwas kämpft. Er kämpft für das, was sein Glaube ihn lehrt und ihm bedeutet und für die Menschen, die sich frei für Christus entscheiden, und das macht ihn zum gefährlichen Gegner der Nationalsozialisten. Er fordert sein Recht einWie unverblümt die Nazis gegen ihn vorgehen, zeigt eine Begebenheit Anfang März 1936: „Plötzlich und uneingeladen“ kommt der Ortsgruppenleiter Arno Rogowski zu einer Jungmännerversammlung im Zimmer des Kaplans. Dieses Erlebnis beschreibt Gerhard Hirschfelder in einem Brief vom 18. April 1936 an Generalvikar Franz Dittert: „An einer Jungmännerversammlung auf meinem Zimmer nahm im März einmal der hiesige Amtsvorsteher teil. Nach derselben forderte er von mir Angaben jeder Versammlung, ob Kolpingfamilie, Jungmännerverein, Kongregation, Dritter Orden, Frauenbund, Jungschar, Treuschar, Frohschar usw. und zwar Angabe bis zum 15. für jeden folgenden Monat.“ Gerhard Hirschfelder lässt sich nicht einschüchtern. Er fordert sein Recht ein. Zum 15. März teilt er die eingeforderten Termine der Veranstaltungen nicht mit. Er wendet sich vielmehr zu diesem Termin schriftlich an den Amtsvorsteher und fordert, ihm „die Verfügung zukommen zu lassen, wonach er obiges verlangt“ ... Die Nachstellungen der Nazis führen Gerhard Hirschfelder in immer größere Bedrängnis. So berichtet er am 14. Oktober 1937 dem Generalvikar: „Am Montag, dem 11. Oktober, erschienen in meiner Wohnung der hiesige Wachtmeister und ein unbekannter Herr, wahrscheinlich ein Geheimpolizist, und fragte mich, ob ich irgendwelche Unterlagen vom Jungmännerverein habe ... Nun wurde meine Wohnung durchsucht. Dabei fand man 21 St. der Oktober-'Wacht', 30 St. 'Am Scheideweg' vom Okt. und eine Menge alter Nummern beider Zeitschriften, zwei alte Protokollbücher des JMV, einige alte DJK-, Jugendschar- und Christusnadeln, einige Koppelschlösser mit Christuszeichen, drei Mundharmonikas ... Ständige EinschüchterungAls man einen Koffer voll solcher Sachen zusammengepackt hatte, warf man mir – wie sehr oft in der Unterredung – Lüge vor, als ob ich all diese Sachen hätte verheimlichen wollen. Als man die Kassen anderer Vereine: Borromäus-, Kindheit-Jesu-Verein in meinem Schreibtisch fand, sagte der Wachtmeister wörtlich: 'Es kommt mir vor, als ob Sie das Geld auf die einzelnen Kassen verteilt hätten.' Als ich mich energisch dagegen verwehrte, sagte man, sie glaubten mir überhaupt nichts mehr, ich hätte sie schon zu viel belogen und es sähe so aus, als ob ich recht viel auf die Seite geräumt hätte.“ ...
Die Nachstellungen der Nazis werden Schritt um Schritt erweitert und nehmen immer härtere Formen an. Sie dienen der Einschüchterung und sollen den Kaplan zermürben ... Vernehmung im RathausIn seiner siebenjährigen Tätigkeit als Kaplan in Tscherbeney / Grenzeck sammelt Gerhard Hirschfelder viele Erfahrungen insbesondere in der Jugendseelsorge. Im Februar 1939 übernimmt er seine neue Aufgabe als Kaplan in Habelschwerdt. Diese Stelle wird zugleich seine letzte sein. Der gute Kontakt des Kaplans zu jungen Menschen ist für Generalvikar Franz Monse Anlass, ihn im Juli 1939, schon wenige Monate nach seiner Versetzung nach Habelschwerdt, zusätzlich zu seinen pfarrlichen Aufgaben zum Diözesanjugendseelsorger zu ernennen ... Bald kommen neue Auseinandersetzungen auf ihn zu. So berichtet sein Pfarrer Adolf Langer: „Kaum war Kaplan Hirschfelder nach Habelschwerdt gekommen, setzte die Hetze der Partei gegen ihn ein. Am Gefallenensonntag hielt er den Gottesdienst in Neuweistritz. Einige aus dem Militärverein nahmen in ihrem Eifer für das Dritte Reich Anstoß an einer Äußerung in seiner Predigt. Es kam zur Anzeige, und er wurde durch die Gestapo zur Vernehmung in das Habelschwerdter Rathaus vorgeladen. Die Gestapo-Beamten erklärten ihm, sie könnten ihm zwar nichts Strafbares nachweisen, aber ihre Geduld sei erschöpft; er solle sich das dicke Aktenbündel ansehen; das nächste Mal werde er abgeholt.“ ... Sammeln von Beweisen„Kaplan Hirschfelder“, so schreibt Adolf Langer später, „vermied sorgfältig jeden Anlass einer Handhabe gegen ihn, sodass sich die Gestapo zwei Jahre bei ihm nicht sehen ließ. Aber die Partei war ständig am Werk, um aus seinen Predigten oder Glaubensstunden Anklagematerial zu sammeln.“ Dann erzählt Adolf Langer ein Beispiel: „In der Mädchen-Glaubensstunde in Altweistritz sprach Kaplan Hirschfelder über das Sakrament der Ehe. Er stellte den Mädchen die Aufgabe: Wie denke ich mir meinen Bräutigam? Er sollte natürlich auch katholisch sein. Gerade diese Forderung wurde bei der Parteiversammlung in Altweistritz der Gegenstand einer heftigen Debatte.“ ... Immer heimtückischer gehen die Nazis vor. Sie provozieren ... So zerstören sie einen barocken Sandsteinbildstock aus dem 18. Jahrhundert auf der Wustungspromenade. Auf ihm ist die Krönung Mariens dargestellt. Passanten stellen fest, dass dem Christusbild auf dem Bildstock beide Augen ausgeschossen sind. Den Hochrelieffiguren sind die Köpfe abgeschlagen ... Am Sonntag nach der Untat, am 27. Juli 1941, besteigt Gerhard Hirschfelder in der Eucharistiefeier die Kanzel zur Predigt. Er nimmt Bezug auf das Ereignis, das noch viele Gottesdienstbesucher bewegt und sagt unter anderem das Wort: „Wer der Jugend den Glauben an Christus aus dem Herzen reißt, ist ein Verbrecher.“ Er bezeichnet die von den Nationalsozialisten betriebene gezielte Entfremdung der Jugend von der Kirche als Verbrechen. Predigten mitgeschriebenDiese öffentliche Brandmarkung ruft den Zorn der Nationalsozialisten hervor und bringt die Gestapo auf den Plan. Denn in fast jedem Gottesdienst gehören Parteispitzel zu den aufmerksamen Zuhörern. Die Habelschwerdterin Elisabeth Prein geb. Nonnast bestätigt dies: „Wir konnten das vom Chor aus beobachten.“ Und in der Tat, Spitzel unter den Zuhörern haben sich am 27. Juli 1941 Notizen gemacht und bringen diese wie immer sofort am Montagmorgen dem Landrat Richard Spreu. Dieser bezieht den Inhalt der Predigt auf sich; denn er ist kurz zuvor aus der Kirche ausgetreten. Er unterschreibt umgehend einen Haftbefehl. Im KZ „nie ein Wort der Klage“Er musste als nichteheliches Kind Hürden zum Priesterberuf überwinden. Er konnte die Jugend in der schlesischen Grafschaft Glatz für Christus begeistern. Er stand gradlinig zu seiner Überzeugung. Er verlor sein Leben im Konzentrationslager Dachau als Preis für sein Glaubensbekenntnis. Bald selig gesprochen, kann Gerhard Hirschfelder Brückenbauer zwischen Deutschen, Polen und Tschechen sein. In den Unterlagen der „Haftanstalt Glatz mit Tuberkuloseabteilung“ ist vermerkt: „Gerhard Hirschfelder eingeliefert am 1.8.1941 um 21.30 Uhr von Gestapo Glatz.“ Er erhält die „Gefangenenbuchnummer 269/41“ ... Viereinhalb Monate bleibt er bis zum 15. Dezember 1941 in Glatz in Gefängnishaft ... ohne Verhör ... Als Hirschfelder am 15. Dezember 1941 von Glatz abtransportiert wird, begegnen ihm auf dem Weg vom Gefängnis zum Bahnhof noch zwei ihm brüderlich vertraute Priester ... Blass im dünnen MantelÜber diese letzte Begegnung schreibt Pater Hubertus Günther im Januar 1981 in der Zeitschrift „Grafschafter Bote“: „... Ein gläubiger Polizist von Glatz gab mir Tag, Stunde und Weg an, da Kaplan Hirschfelder zum Hauptbahnhof Glatz gebracht werden sollte. Mein Mitbruder Buchmann und ich hielten uns zur angegebenen Zeit in der Nähe der Franz-Ludwig-Schule von Glatz auf. Und dann kam er, der Gefangene um Christi Willen, in Begleitung des Polizisten, blass von der mehrmonatigen Gefängnisluft. Kaplan Hirschfelder hatte nur einen dünnen Mantel an. Es war sehr kalt. Buchmann und ich reichten ihm für einen kurzen Augenblick die Hand. Der Polizist ließ es zu. Ich streifte schnell meine wärmenden Handschuhe von den Händen und gab sie ihm. Er nahm sie dankend an. Seine letzten Worte waren: ›Nu macht‘s ock gutt.‹“ ... Am 27. Dezember 1941 kommt Hirschfelder im Konzentrationslager Dachau an und erhält als Gefangener die Nummer 28972. Die Priester im KZ werden dazu herangezogen, die mit Suppe gefüllten Kübel zu den Blocks auszutragen. Die Kübel sind heiß und zwei Zentner schwer. Viele Priester ziehen sich dabei Verbrennungen zu. Manche verletzen ihre Hände. Es ist ihnen streng verboten, selber etwas vom Essen zu nehmen. In der Winterzeit müssen sie die Wege und Plätze im KZ von Schnee freischaufeln. Der Mithäftling Hermann Scheipers weist darauf hin, dass das Tragen der Essenskübel und das Schneeräumen nicht als „richtige Arbeit“ galt. Aus diesem Grund wird den Priestern die sogenannte „Brotzeit“, die aus einem Stück Brot mit einer Scheibe Wurst besteht und normalerweise auf der Arbeitsstelle verabreicht wird, gestrichen. Es bleibt ihnen nur die Krautsuppe, meist ohne Kartoffeln, als tägliche Nahrung ... Im Jahr 1942 grassiert eine Hungerkatastrophe. Allein diesem Jahr sterben 730 Priester. Die meisten verhungern, manche verlieren ihr Leben durch eine verschleppte Erkältung, die zur Lungenentzündung führt ... Viel tun für liebe Menschen außerhalb des Lagers kann Hirschfelder nicht. Er findet einen anderen Weg, auf dem er wirksame Hilfe vermitteln kann. Wenn er sich wichtiger Gedenktage erinnert, schreibt er seinen Verwandten oder an Pfarrer Langer, dass er in diesem Anliegen sein „Tagewerk“ für sie aufopfert: Ich „opferte alles für Euch auf. Sagt auch allen meinen Wohltätern, dass sie stets in mein Tagewerk eingeschlossen sind.“ „Tagewerk“ meint nicht nur den normalen Alltag, sondern wie Johannes Nitsche formuliert, ist „Tagewerk“ ein „ganzer Tag im Konzentrationslager, 24 Stunden Qualen an Leib und Seele, mit wunden Füßen und Händen, Hunger, Durst, Kälte, mit Entkräftung, Beleidigungen und Schlägen; nicht nur Arbeit“. Er trägt sein schweres Los für die, die „ein Unglück getroffen“ hat, für die „Erstkommunionkinder“, für die „Pfarrgemeinde in Habelschwerdt“. Er macht sich dadurch in dieser erzwungenen Lage „für andere, für die Kirche verfügbar“ ... An einen Mitbruder schreibt der mitgefangene Pfarrer Josef Albinger am 15. Juni 1955: „... Ich habe Gerhard Hirschfelder oft beobachtet beim Appell. Mit roter Nase stand er da, und ich sah, wie sich leise seine Lippen bewegten in stillem Gebet. Schwer war für ihn das Essenkübeltragen. Gerhard war nicht sehr kräftig. Und wir katholischen Priester mussten die Essenkübel tragen. Er hat oft gestöhnt unter dieser Last. Seine Mütze steckte er in den Griff der Kübel, um seine Hand fest in dem schneidenden Henkel zu haben. Das Essen war knapp. Viele packte die Ruhr.“ Josef Albinger schreibt weiter: „Ich habe mit Gerhard zusammen gearbeitet. Wir mussten Schnee schaufeln den ganzen Tag bei großer Kälte, sehr schlecht gekleidet, angezogen mit dünnem Drillichanzug und Holzpantinen. Erst hatten wir nicht einmal Strümpfe. Gerhard hatte in dem Schnee seine Füße erfroren. Täglich zeigte er mir seine erfrorenen Füße mit den Wunden. Aber nie habe ich ein Wort der Klage gehört.“ ... Geschwächt im HungerjahrPfarrer Hermann Scheipers erinnert sich: „Das Jahr 1942 war ein ausgesprochenes Hungerjahr. Gerhard Hirschfelder war wohl schon durch die Gefängnishaft sehr geschwächt. Nun wurde er sofort auf der riesigen Plantage eingesetzt ...“ Gerhard Hirschfelder verbittert nicht im Lager. So wie er in seiner seelsorglichen Tätigkeit sich den Menschen zuwendet und ihre Sorgen und Anliegen vernimmt, so lässt er auch die Not seiner Mitgefangenen an sich herankommen. Auch mit ihnen teilt er sein Leben, seinen Hunger und seine Bedrängnisse. Am 5. April 1942 schreibt er an seine Verwandten: „Beachtet bitte die kleinen Änderungen in der Anschrift. Am 24.3. wurde ich in den Priesterblock verlegt, konnte am 25. und jetzt täglich dem heiligen Messopfer und in diesen Tagen der herrlichen Kar-Liturgie beiwohnen. Ihr könnt Euch wohl denken, dass das ein Grund zu aufrichtigster Freude für mich ist. So wird man als Christusträger stark zu den Anforderungen, die Gott und Menschen an uns stellen.“ ... Sehr stark vertraut Gerhard Hirschfelder der Fürbitte des heiligen Josef. Auch empfängt er Kraft und auch Freude durch die Verehrung der Gottesmutter Maria. „Für den Monat Mai“, so schreibt er weiter, „erhoffe ich viel Freude durch die Gebete zur Gottesmutter und die Andachten, die vielleicht gehalten werden. Der Osterfestkreis und die treue Verehrung der hl. Königin gibt ja viel Kraft, alles Schwere zu ertragen.“ ... In seinem letzten Brief vom 26. Juli 1942, fünf Tage vor seinem Tod, verbindet sich die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit dem Gedanken, dass es mehr gibt als ein irdisches Wiedersehen: So finden sich in seinem Brief die Worte: „Was ist doch alle Welt gegenüber der Herrlichkeit des Himmels, wo es kein Leid, nur Liebe ohne Hass gibt. Wie tröstet uns doch damit unsere heilige Religion in so schweren Zeiten wie dieser Krieg mit dem Glauben ans Jenseits.“ ... Zwei Stunden kalt duschenDen letzten Brief schreibt Gerhard Hirschfelder am 26. Juli 1942 im Krankenrevier. Sein bereits völlig geschwächter Körper ist zusätzlich von einer Lungenentzündung bedroht. Hubertus Günther berichtet, ein Mithäftling, ein Jesuitenpater, habe ihm erzählt: „Von Paratyphus befallen, ließ ihn ein Aufseher zwei Stunden unter der kalten Brause stehen. Die Folge davon war eine Lungenentzündung, von der sich sein durch die Strapazen des KZ geschwächter Körper nicht mehr erholen konnte.“ ... Am 24. Juli 1942, am zweiten Tage nach seiner Krankmeldung, wird Gerhard Hirschfelder in das Lagerkrankenrevier verlegt. Dort stirbt er am 1. August 1942 ... Nüchtern heißt es in dem Totenschein: „Am 1. August 1942 verstarb der 35-jährige Priester in Dachau an den Folgen einer Rippenfellentzündung. Die Leiche wurde im dortigen Krematorium eingeäschert und die Asche der Familie des Verstorbenen in Sackisch übersandt.“ ... „Bestmögliche Behandlung“Am 10. August 1942 teilt ein Obersturmführer der SS vom Konzentrationslager Dachau dem Onkel in Sackisch mit: „Sehr geehrter Herr Hirschfelder! Ihr Neffe Gerhard Hirschfelder, geb. 17.2.07 zu Glatz meldete sich am 24.7.42 krank und wurde daraufhin unter Aufnahme im Krankenbau in ärztliche Behandlung genommen. Es wurde ihm die bestmögliche medikamentöse und pflegerische Behandlung zuteil. Trotz ärztlicher Behandlung gelang es nicht, der Krankheit Herr zu werden. Ich spreche Ihnen zu diesem Verlust mein Beileid aus. Ihr Neffe hat keine letzten Wünsche geäußert.“ Gerhard Hirschfelder- Geboren am 17. Februar 1907 in der schlesischen Grafschaft Glatz / Kłodzko als nichteheliches Kind der Schneiderin Maria Hirschfelder. Buchhinweis:Hugo Goeke: Text: Hugo Goeke | Fotos: Archiv in Kirche+Leben, kirchensite.de, 13.09.-15.09.2010 Kreuzweg-Gebete – Droga Krzyżowa – Křížová cesta
Kreuzwegstationen aus der hl. Bartholomäus-Kirche in Bad Kudowa-Tscherbeney. Foto:
Rafał Gałecki Diener Gottes Kaplan Gerhard Hirschfelder Sługa Boży Ksiądz Gerhard Hirschfelder Služebník Boži Kaplan Gerhard Hirschfelder Zitate
– Brief aus dem Gefängnis Glatz vom 14.12.1941.
– Brief aus dem KZ Dachau vom 12.02.1942
– Brief aus dem KZ Dachau vom 28.06.1942
– letzter Brief aus dem KZ Dachau vom 26.07.1942
Quelle: http://www.selige-kzdachau.de/portfolio/gerhard-hirschfelder |
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